"Das brauchen wir uns nicht mehr anschauen, mit meinem inneren Kind bin ich im Reinen :-) ihm geht es gut!" So oder ähnlich und meist dabei lächelnd berichten Klienten im Gespräch vor einer Synergetik- oder Psychobionik-Sitzung oft über ihre bereits vollzogene Aussöhnung mit ihrem inneren Kind und über seine liebevolle Annahme.
Wenn aber mit Beginn der therapeutischen Arbeit die gleichen Menschen bereits nach kurzer Reise durch ihre Innenwelt dort ein inneres Kind vorfinden, das traurig oder apathisch oder weinend in der Ecke sitzt, dann ist das ein weniger schönes Aha-Erlebnis.
Denn an diesem Punkt stellt sich die Frage:
Warum ist mein inneres Kind trotz aller Aussöhnung und aller liebevollen Annahme in diesem Zustand?
Wer ist denn eigentlich dieses innere Kind?
Ganz einfach gesagt spiegelt unser inneres Kind die Gesamtheit all unserer während der Kindheit gemachten Erfahrungen und erlebten Gefühle, insbesondere die mit der Mama und dem Papa. Gab es in dieser Zeit Mangel an Liebe, an Versorgung, an Anerkennung, gab es vielleicht sogar traumatische Erfahrungen, dann werden diese Erfahrungen des inneren Kindes oft zu tiefsitzenden Prägungen - mit Auswirkungen auf das gesamte künftige Leben.
Stellen wir uns ein vielleicht 5jähriges Kind vor, das gerade eine lieblose Mama erlebt, eine Mama die es für irgendeine Kleinigkeit in sein Zimmer sperrt, die mit Liebesentzug, Missachtung oder vielleicht sogar mit körperlicher Gewalt reagiert. Dieses Kind erlebt und fühlt in diesem Moment Schlimmes und vor allem Prägendes, denn ein solches Mama-Erlebnis wird unmittelbar in der Psyche abgespeichert und bestimmt "aus diesem Untergrund heraus" künftige Gefühle und Verhaltensstrukturen.
Selbstwertdefizite, ein unangemessen großes Verlangen nach Zuwendung durch andere Menschen oder das eigene Unvermögen zu Empathie oder liebevoller Zuwendung sind nur Beispiele für die möglichen späteren Folgen daraus.
Ja natürlich kann jeder Erwachsene in seiner "Innenwelt", in seiner Vorstellung oder im Rahmen einer Meditation zu seinem weinenden oder verletzten inneren Kind gehen, es trösten, es liebevoll in den Arm nehmen und ihm sagen, dass er nun immer für es da sei. Jedenfalls kann das derjenige, der sein inneres Kind nicht ablehnt oder gar verachtet. Dieses innere Kind wird in diesem Moment mit Sicherheit ein Stück Erleichterung erfahren, vielleicht sogar ein Gefühl von Zuwendung und Liebe spüren. Solche berührenden Prozesse sind in jedem Inneres-Kind-Seminar erlebbar.
"Da bin ich dann hingegangen, hab es schützend in den Arm genommen und es liebevoll getröstet..."
Was unser inneres Kind dabei jedoch leider nicht spürt und nicht erfährt, das ist das tiefe, das bleibende, das Urvertrauen erzeugende Gefühl echter elterlicher Zuwendung und Liebe. Genau diese Erfahrung wäre aber entscheidend für das Wohl des Kindes, für seine Prägungen und für die Lebensqualität des späteren Erwachsenen. Nicht Liebe von "irgend wem", auch nicht die vom gut meinenden Erwachsenen-Ich aus der Zukunft wird benötigt, sondern die Liebe der leiblichen Eltern, von Mama und von Papa.
Es kann somit überhaupt nicht die Aufgabe des heutigen Erwachsenen sein, sein inneres Kind nun mit der Liebe versorgen zu wollen, die es normalerweise von seinen Eltern hätte bekommen müssen, aber nicht bekam. Ein von seinen Eltern nicht geliebtes Kind kann von seinem zukünftigen Erwachsenen-Ich bestenfalls mit einer Art "Ersatz-Zuwendung" versorgt werden - niemals aber mit den Gefühlen, die liebevolle Eltern ihrem Kind zuteil werden lassen. Und selbst diese Ersatz-Zuwendung kann nur mangelhaft sein, denn diesem Erwachsenen fehlt ja selbst diese eigene Erfahrung liebevoller Eltern in der Kindheit. Die bräuchte er mindestens, um sie weitergeben zu können.